Tourismuspolitik
Eine Sektoralpolitik zum Wohle der Allgemeinheit
Der Bund fördert den Tourismus in der Schweiz aktiv. Die Förderpolitik basiert auf der Tourismusstrategie des Bundes und umfasst im Wesentlichen die Förderinstrumente Neue Regionalpolitik (NRP), Innotour, Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredite (SGH) und Schweiz Tourismus (ST). Die vier Förderinstrumente setzen auf unterschiedlichen Ebenen an und ergänzen sich gegenseitig. Im Zusammenspiel mit kantonalen und kommunalen Massnahmen ergibt sich ein gut abgestimmtes und wirkungsvolles Förderumfeld für touristische Akteure. Im Zuge des Entlastungspakets für den Bundeshaushalt geraten die Förderinstrumente jedoch unter Druck.

Die Gruppe Gaillard, auf deren Bericht das Entlastungspaket fusst, argumentiert, dass es sich bei ST, NRP und Innotour um nicht gerechtfertigte Branchensubventionen handelt, die den Wettbewerb verzerren, ökonomisch ineffizient sind und den Grundsätzen der Subsidiarität widersprechen. Sie empfiehlt, die NRP mittelfristig einzustellen sowie die Budgets von ST und Innotour stark zu kürzen. Diese Sichtweise verkennt jedoch die Rolle der Tourismuspolitik als integraler Bestandteil der übergeordneten Standortförderung.
Wichtiger Teil der Standortpolitik
Die aktive Tourismusförderung verfolgt keinen Selbstzweck. Sie ist allein schon deshalb gerechtfertigt, weil auch unsere Nachbarländer ihre Tourismusstandorte stark unterstützen. Ohne ein vergleichbares Engagement des Bundes geriete der Schweizer Tourismus rasch in einen Wettbewerbsnachteil. Darüber hinaus leidet der Tourismus unter verschiedenen Formen von Marktversagen. Der KMU-geprägte Sektor ist kleinteilig strukturiert, was zu unzureichender Kooperation, Innovationsschwäche und ungenügenden Finanzierungsmöglichkeiten führt. Gerade in Bereichen wie der Digitalisierung oder Nachhaltigkeit droht der Tourismussektor ohne Unterstützung den Anschluss zu verlieren. Die Tourismusförderung ist aber nicht als reine Sektoralpolitik zu verstehen, sondern auch als ein strategisches Element einer ganzheitlichen Standortförderungspolitik. Der Tourismus trägt wesentlich zum Image der Schweiz bei und ist in vielen Regionen mit beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten die Leitindustrie.
Dezentrale Besiedlung und Kohäsion
In der Schweizer Verfassung ist festgeschrieben, dass der Bund dafür sorgt, dass die Landwirtschaft einen Beitrag zur dezentralen Besiedlung der Schweiz leistet. Für den Tourismus gibt es keine derartigen Bestimmungen, jedoch trägt auch der Tourismus erheblich zur Attraktivität der Bergregionen und peripheren Gebiete als Wirtschafts- und Lebensraum bei. Jeder fünfte in den Berggebieten verdiente Franken steht in direktem Zusammenhang mit dem Tourismus, und jede vierte Arbeitsstelle ist ihm zu verdanken. Ohne Tourismus würden sich zahlreiche Talschaften entvölkern, da ihnen die wirtschaftliche Grundlage fehlen würde. Von einem attraktiven Tourismusangebot in den Bergen profitiert jedoch nicht nur die lokale Bevölkerung. Auch die Menschen aus den urbanen Gebieten der Schweiz verbringen gerne ihre Ferien in den Schweizer Bergen. Auf diese Weise fördert der Tourismus auch den Austausch zwischen Stadt und Land und trägt letztlich zur sozialen Kohäsion bei.
Funktionsweise der touristischen Wertschöpfungskette
Um die Tragweite von Kürzungen bei den Förderinstrumenten zu verstehen, lohnt sich der Blick auf die Funktionsweise der touristischen Wertschöpfungskette. Der Tourismus besteht aus zahlreichen in wechselseitiger Abhängigkeit stehender Glieder einer Wertschöpfungskette. Fallen einzelne Glieder aus, bringt dies das ganze Gefüge durcheinander. Wenn in einer Destination die Seilbahninfrastruktur durch die Streichung der NRP-Gelder nicht mehr erneuert werden kann, werden die Tourist:innen auf andere Gebiete ausweichen. Davon betroffen ist aber nicht nur der Seilbahnbetreiber, auch die Hotels und Restaurants werden leer bleiben, wenn die Gäste nicht mehr auf den Berg kommen. Direkt davon betroffen ist dann aber auch die lokale Bäckerin, die auf ihrem Brot sitzen bleibt und der Taxifahrer, der sich über die ausbleibende Kundschaft beschweren wird.
Tourismusförderung ist nicht Treiber des Haushaltsdefizits
Weiter gilt es festzuhalten, dass die touristischen Förderinstrumente mitnichten ein Treiber für die steigenden Ausgaben des Bundes sind. Im Gegenteil: Wenn man die Beträge der vergangenen und aktuellen Standortförderungsbotschaften vergleicht, wird deutlich, dass die Fördermittel gekürzt und nicht ausgebaut wurden. Als Teil der ungebundenen Ausgaben des Bundes wurden die Mittel zudem in den letzten Jahren über den ordentlichen Budgetprozess weiter gekürzt. Derweil haben verschiedene Evaluationen zu den Förderinstrumenten aufgezeigt, dass sie eine grosse Hebelwirkung haben. Jeder vom Bund investierte Franken kommt um ein Vielfaches zurück. Ein weiterer Abbau bedeutet zuerst Einbussen bei der touristischen Wertschöpfung, letztlich bedeutet diese aber auch Steuerausfälle, was kaum im Sinne des Erfinders des Entlastungspaketes ist.
Der STV hat sich in seiner Stellungnahme zum Entlastungspaket entsprechend kritisch geäussert, auch wenn er grundsätzlich das Bestreben des Bundesrates unterstützt, den Bundeshaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der Tourismus kann ohne Frage auch seinen Teil dazu beitragen. Die Rahmenbedingungen dürfen aber nicht derart verändert werden, dass die Tourismuspolitik ihre Wirkung verliert.
Ein Beitrag von Samuel Huber, Leiter Politik STV.
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Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Content-Serie zu den touristischen Fördermitteln aufgrund des bevorstehenden Entlastungspakets 2027 entstanden.
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