Tourismuspolitik
Touristischer Mehrwert und Herausforderungen einer erneuten Landesausstellung
23 Jahre nach der Expo.02 gibt es unterschiedliche Vereine, die ein Projekt für eine zukünftige Landesausstellung konzipiert haben. Der Schweizer Tourismus-Verband (STV) wollte von den Projekträgerinnen wissen, welchen touristischen Mehrwert sie in einer erneuten Landesausstellung sehen und mit welchen Herausforderungen und politischen Hürden sie zurzeit konfrontiert sind.
Im Jahr 2022 äusserten sich Bund und Kantone grundsätzlich positiv zu einer erneuten Landesausstellung und verabschiedeten im November 2023 die Rahmenbedingungen für ein neues nationales Projekt. Im Juni 2025 gab der Bundesrat zudem ein neues Bundesgesetz über die Förderung von Landesausstellungen in die Vernehmlassung. Dieses soll dem Bund eine rechtliche Grundlage für die Förderung einer künftigen Landesausstellung bieten. Gleichzeitig liess er jedoch verlauten, dass er auf Grund der angespannten Bundesfinanzen bis Ende der 2030er Jahre keine Möglichkeit zur finanziellen Unterstützung einer Landesausstellung sieht.
Derzeit sind vier Vereine mit unterschiedlichen Konzepten und regionalen Schwerpunkten aktiv: NEXPO, Svizra27, Muntagna und X27. Sie verfolgen verschiedene Ansätze, teilen jedoch die Vision, der Schweiz mit einer modernen Landesausstellung neue Impulse für Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Tourismus zu geben.
Finanzielle Hürden und weitere Herausforderungen
Die Durchführung einer Landesausstellung ist mit vielfältigen Herausforderungen verbunden, was – darin sind sich die Projektträgerinnen einig – bei einem nationalen Grossprojekt auch natürlich ist.
Alle befragten Projekte sehen die fehlende finanzielle Unterstützung durch den Bund als grosse Hürde. Die aktuelle Haltung des Bundesrats, bis Ende der 2030er-Jahre keine Mittel bereitzustellen, hemmt die Planungs- und Entscheidungsprozesse massiv. Ohne Bundesfinanzierung ist, wie bereits die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, keine nationale Landesausstellung von entsprechender Tragweite realisierbar. Hinzu kommt eine «Huhn-und-Ei»-Problematik: Der Bund verlangt Absichtserklärungen der Kantone und potenziellen Sponsoren, bevor er selbst finanzielle Zusagen macht. Gleichzeitig warten diese wiederum auf ein Signal des Bundes. Dieses gegenseitige Zögern führt zu Planungsunsicherheit und bremst die Dynamik der Projekte.
Ein weiteres zentrales Thema ist der Einbezug der Bevölkerung. Alle Projekte betonen, dass Akzeptanz und Partizipation entscheidend für den Erfolg einer Landesausstellung sind. So arbeitet beispielsweise Muntagna mit einem konsequenten «bottom-up»-Ansatz, der die Bevölkerung von Beginn an als aktive Mitgestalterin einbezieht und die NEXPO plant partizipative Formate über regionale Kuratorien, Mitmachplattformen und Begegnungsorte.
Grosser touristischer Mehrwert: Impulse für die Regionen
Eine neue Landesausstellung hätte für den Schweizer Tourismus sowohl kurzfristig während der Durchführung als auch langfristig in ihrer Nachwirkung ein beachtliches Potenzial – darin sind sich die Projektträgerinnen einig. Früheren Ausstellungen haben dies gezeigt: Die Expo.02 generierte laut einer Studie der Universität Neuchâtel einen wirtschaftlichen Mehrwert von rund 2,6 Milliarden Franken, und die Übernachtungszahlen in Neuchâtel stiegen um 56 %. Auch künftige Ausstellungen könnten zusätzliche Hotelübernachtungen, Konsumausgaben sowie eine stärkere Auslastung in Gastronomie und Transportwirtschaft bewirken.
Darüber hinaus bietet eine Landesausstellung als nationale Plattform mit internationaler Ausstrahlung eine Chance, die Schweiz als attraktives Reiseland zu präsentieren, wie Svizra27 betont. Die NEXPO weist zudem darauf hin, dass ein Teil der Erlebnisse und Installationen über das Durchführungsjahr hinaus bestehen bleibt, wodurch Austragungsorte nachhaltige touristische Anziehungspunkte gewinnen. Die mediale Sichtbarkeit – insbesondere durch eindrucksvolle Bilder – soll die touristische Attraktivität der Schweiz weltweit stärken und auch das Projekt Muntagna betont die Relevanz für den Tourismus. Eine Landesausstellung führt zu mehr Sichtbarkeit der austragenden Regionen und setzt Impulse für den sanften Tourismus; von innovativen Mobilitätslösungen über neue Freizeit- und Kulturangebote bis hin zu modernen Arbeits- und Lebensmodellen.
Insgesamt zeigt sich: Eine zukünftige Landesausstellung wäre weit mehr als ein temporäres Ereignis. Sie könnte als Katalysator für nachhaltige touristische Entwicklung, kulturelle Vernetzung und nationale Identität wirken – vorausgesetzt, die finanziellen und politischen Rahmenbedingungen schaffen den nötigen Handlungsspielraum.
Vernehmlassung der gesetzlichen Grundlage
Der STV ist vom touristischen Mehrwert einer zukünftigen Landesausstellung überzeugt. Wie bei anderen Grossanlässen plädiert er für eine nachhaltige und ressourcenschonende Durchführung. Zudem ist es wichtig, dass die lokale Bevölkerung, Gästeströme sowie das lokale Gewerbe wie die Gastronomie und Hotellerie von Anfang an miteinbezogen werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Landesausstellungen visionäre Projekte ermöglichen, die anderweitig kaum realisierbar wären, und dass sie die Kohäsion innerhalb des Landes stärken.
Aus diesen Gründen hat sich der STV positiv zu der gesetzlichen Grundlage für eine zukünftige Landesausstellung geäussert, die der Bundesrat in die Vernehmlassung gegeben hat. Er fordert jedoch gleichzeitig, dass sich der Bund angemessen an der Finanzierung einer Landesausstellung beteiligt und eine Aufschiebung bis 2040 nicht sinnvoll ist.
Die verschiedenen Projekte
Im Rahmen des Austausches mit den unterschiedlichen Projektinitiativen haben wir sie gebeten, sich kurz selbst vorzustellen:
Muntagna
«Muntagna ist die erste Expo in den Alpen, die alle vier Landessprachen vereint. Sie vernetzt die Bergregionen mit den Ballungszentren und entwickelt neue Modelle für Arbeit, Mobilität, Kultur und Tourismus, von denen künftige Generationen profitieren. So macht sie die Kraft der Alpen als Herz der Schweiz erlebbar und setzt Impulse für eine nachhaltige Weiterentwicklung über das Durchführungsjahr hinaus.»
NEXPO
«Die NEXPO ist die erste schweizweite Landesausstellung – sie soll in grossen Städten und kleinen Gemeinden in allen vier Sprachregionen stattfinden. Die NEXPO ist partizipativ: Sie wird zusammen mit der Bevölkerung, der Schweizer Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Kulturbranche entstehen. Die NEXPO ist ökologisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich nachhaltig: Als Netto-Null Veranstaltung soll sie den Zusammenhalt der Schweiz fördern, die Diskussion über die Zukunft anregen und touristisch nachhaltige neue Erlebnisse an den Austragungsorten entstehen lassen.»
Svizra27
«Svizra27 ist eine zukünftige Landesausstellung in der Nordwestschweiz (Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Jura und Solothurn), die die Schweiz als Ganzes für alle Menschen vereint und identitätsstiftend wirken soll. Kern des Projekts sind "Raumzeitkapseln", immersive Erlebnisse, die Besucher*innen in mögliche Zukünfte eintauchen lassen. Ein "Spiel der Ideen" und ein "Forum" in Basel fördern die gemeinschaftliche Gestaltung von Zukunftsvorstellungen und den Austausch von Ideen und Träumen.»
X27
«Hinter X27 steht weder eine Region noch ein Verband oder sonst eine Organisation. X27 ist eine lockere, aber fest entschlossene Zu(sammen):kunft von Menschen und Organisationen aus der Schweiz, die überzeugt sind: Die Zukunft gehört uns allen – darum müssen wir sie gemeinsam gestalten.»
Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Content-Serie für den Newsletter Tourismuspolitik zum Thema Grossanlässe in Zusammenarbeit mit den vier Vereinen NEXPO, Svizra27, X27 und Muntagna entstanden.
Aktuelles
Alle anzeigen
Webinar «Sustainable Travel Finland: Einblicke und Erfahrungen aus Finnland»
Stellungnahme zu der Standesinitiative «Zeitlich befristete Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten»
Swisstainable-Hub | Good-Practice-Beispiele im Oktober
Der STV begrüsst das Vertragspaket mit der EU
Gesetzgebungen Nachhaltigkeit
Newsletter